Corporate Language

Wort erschaffen Bilder.

„Wir sind Papst!“. Die BILD-Headline aus dem Jahre 2005 avancierte zur Kult-Schlagzeile und wurde in dem Jahr mit dem 2. Platz zum Wort des Jahres geadelt, „da sie sprachlich einprägsam sei und eine bestimmte Stimmung in der Bevölkerung widergespiegelt habe“ (Wikipedia unter dem Suchbegriff „Wir sind Papst!“). Es war die Blaupause für einen neuen Schliff sprachlicher Formulierungen. Grammatik zweitrangig. Wenn sich sowas einmal eingeschliffen hat, ist es kaum mehr rauszukriegen. Weitere „Trittbrettformulierungen“ folgten: „Wir sind Oscar“ (Academy Award für den Film „das Leben der anderen“ 2008), „Wir können Weltmeister!“ (Anlässlich des Weltmeistertitels 2014), etc.

Claims, Slogans und Headlines geben sich gerne anders, mal aus der Reihe tanzend, dem Mainstream widerstehend, gerne zweideutig, mal zynisch und ironisch, spielerisch und verspielt, kurz und prägnant, trendig und modern, der Zeit voraus – und treten dabei immer wieder in „schlüpfrige“ Fettnäpfchen (Beispiel:„Come in and find out“ – jaja, hat sich schon jeder drüber amüsiert …). Und das alles für mehr Aufmerksamkeit bei den Stakeholdern bzw. den großen Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern; auf diesem Spielfeld buhlen Marken um den kollektiven Schmunzler, nach der Mutter aller „Lines“. Und das möglichst in einem charakteristischen und differenzierenden „Unternehmens-Sprech“.

Aber an dieser Stelle mal Stopp. Das ist gar nicht das Thema dieses Beitrags. Hier geht es nicht vorrangig um Claims, Slogans und Headlines (das behandele ich in einem der nächsten Beiträge). Ja, selbstverständlich nehmen alle drei einen bevorzugten Platz in jeder PR-Offensive ein – Claims, weil sie gemeinsam mit der Bildmarke (oder alleinstehend) die zentrale Botschaft der Marke bündeln, Slogans (die Schlagzeile, übrigens aus dem Gälischen für „Schlachtruf“ abgeleitet), die ein spezielles Angebot einer Marke bzw. Kampagne eher protzig, provokativ, superlativ befeuern – aufgeladen mit Reizwörtern wie „Einmalig“, „Phantastisch“, „Neu“, „Jetzt billiger“, „das Beste“ etc. – und Headlines, die einem inhaltlichen Copy- bzw. Fließtext voran stehen, diesen in wenigen Worten zusammenfassen.

Am Ende steht ein Wort.
Alle vier Formen (Claim, Slogan, Headline, Copytext) sind Teil der spezifischen Unternehmens-Sprache, der Corporate Language. Allen ist eines gemeinsam: Sie bedienen sich des sprachlichen Codes des Unternehmens bzw. der Marke. Dieser Code leitet sich ab vom bereits formulierten Leitbild und der Nutzen-Argumentation. Es geht also um ein Begrifflichkeits-Spektrum, das sich an den Werten, der Vision, der Mission, dem Nutzen und dem Leistungsversprechen orientiert. Schlüsselbegriffe, die als Substantive, Adjektive und Verben den Zweck des Unternehmens und dessen Wertschöpfung reflektieren. Aus diesen lässt sich zum einen das „One Word Capital“ heraus kristallisieren, welches den Nutzen oder das Leistungsversprechen auf ein einziges Wort reduziert (nette Zweideutigkeit: Großbuchstabe und Kapital :-)) und aus dem sich später der Unternehmens- oder Marken-Claim „abstecken“ lässt. Zum anderen lassen sich Identität stiftende Kernbotschaften kreieren, die später für diverse Kommunikationsmedien als Schlagzeilen und Headlines auf- und ausgebaut werden.

Fehlt eigentlich nur noch der Copytext, der Fließtext, der das Unternehmen, die Marke, das Angebot bzw. ein Thema ausführlicher beschreibt. Damit dieser Text ankommt und von den Ansprechgruppen auch verstanden – und akzeptiert – wird, bedarf es einiger Analyse-, Struktur- und Stilmittel. Ein Unternehmen muss vorher wissen, an wen es die Botschaften sendet und wie die Adressaten angesprochen werden wollen, welchen Sprachstil sie bevorzugen, wie sie wahrnehmen, aus welcher Perspektive „gesprochen“ und welche Stimmung vermittelt wird. Das hat natürlich Einfluss auf Satzbau, Struktur und Länge des Textes. Es gilt demnach im Vorfeld einige Parameter zu klären. Der Prozess zur „Corporate Language-Entwicklung“ ist im nachfolgenden Schaubild zusammen gefasst.

Worte stärken Werte.
Ein Beispiel: Betrachten wir ein 40 Jahre bestehendes mittelständisches Logistik-Unternehmen, weltweit agierend, welches sich durch ein extrem breites und unterschiedliches Fahrzeug- und Leistungs-Portfolio auszeichnet. Nehmen wir an, es hat sich über die Jahrzehnte kontinuierlich bis hierhin entwickelt und ist in Zukunft weniger bestrebt, personell weiter zu wachsen als vielmehr sein Angebots-Portfolio zu steigern, um optimale Lösungen zur Erreichung von Zielen anbieten zu können.

Zielbegriffe können demnach sein: Kontinuität, Zielstrebigkeit, Vielfalt, Vielseitigkeit, Flexibilität, Lösungskompetenz. Das sind natürlich keine Wörter, die für sich gesehen ein Alleinstellungsmerkmal kennzeichnen. Erst in der Art und Weise, in welchen Kontext diese Begriffe eingebunden und miteinander kombiniert werden, welche Logistik affinen Verben (transportieren, liefern, senden, verpacken, …) oder Adjektive (schnell, direkt, sicher, präzise, …) mit hinein gemixt werden, machen diesen verbalen Code adäquat und Identität stiftend. Entscheidend dabei ist, dass er sowohl von den loyalen Mitarbeiter:innen als auch den potentiellen bzw. treuen Kunden verstanden wird. Denn letztlich zählen Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Echtheit, um Akzeptanz, Identifikation, Image und Reputation zu sichern.

Was steckt eigentlich alles in Sprache?
Wir werden also in weiteren Beiträgen reden müssen über die verschiedenen Aspekte der Corporate Language-Entwicklung. Es geht um unterschiedliche Sprachstile, um drei sensorische Wahrnehmungsformen, um Tonalität und Ansprache. Wie ermittelt man ein spezifisches Schlüsselwörter-Spektrum, auch „Tag-Cloud“ genannt, um daraus Claims, Slogans, Headlines zu „basteln“? … Und selbstverständlich wird auch Storytelling ein Thema sein … wobei: Wer kam eigentlich auf den Gedanken, diesen Begriff zu formen. Wir haben in der Werbung und Unternehmens-Kommunikation doch schon immer Geschichten erzählt – in Bildern und Worten; na ja, ich komme später (in einem entsprechenden Post) darauf zurück …

Abschließend zu diesem einleitenden Beitrag zur Corporate Language noch diese kurze Anmerkung. Wie konnte es passieren, dass die „Unternehmens-Sprache“ in der Entwicklung der Corporate Identity lange Zeit so ein stiefmütterliches Dasein führte? Jetzt könnte man dagegenhalten: Sie steckt doch in „Corporate Communication“, einer der drei Dimensionen des Corporate Identity-Modells. Ich denke, ihr gebührt – wie der „Nutzen-Argumentation“ (Corporate Benefit) und der „Bildsprache“ (Corporate Imagery) – eine eigenständige Dimension, ein eigenes Kreissegment im Kuchenmodell der Corporate Identity.

An dieser Stelle ein Zitat von Armin Reins, der mit seinem Werk „Corporate Language“ eben dieser den roten Teppich ausgerollt und auf ein angemessenes Podest gestellt hat: Corporate Language ist in – beinahe – aller Munde.

„Sprache ist der am stärksten vernachlässigte Teil der Corporate Identity … Starke Marken erkennt man nicht nur an ihrem Logo, … starke Marken erkennt man auch an ihrer charakteristischen Sprache.“

Quellen, Zitate, Literaturempfehlungen:

  • David Ogilvy: Geständnisse eines Werbemannes, Econ Verlag, 1991
  • Armin Reins: Corporate Language, Hermann Schmidt-Verlag, 1. Auflage 2006
  • Armin Reins: Text sells, Hermann Schmidt-Verlag, 2. Auflage 2015
  • Martin Dunkl: Corporate Code, Springer Fachmedien, 2015, eBook

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Gelernter „Designer Visuelle Kommunikation (FH)“, mittlerweile begeisterter Konzeptioner und Texter für Corporate Identity-Konzepte, inklusive Corporate Image-Aufbau und Markenführung.